12.10.2015
Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland sind der Energiebranche lästig. Doch wirken sie sich auch negativ auf die Energiegeschäfte aus? Bei Erdgas rücken Russland und Deutschland zumindest immer enger zusammen. Auch ein finanzkräftiger Oligarch geht auf Einkaufstour im Westen.
Moskau/St. Petersburg - Wenn Besitzer von Gasheizungen in Deutschland es in diesem Winter wieder warm haben, dann haben sie das auch Gasfeldern im hohen Norden Russlands zu verdanken. Etwa 4.000 Kilometer Luftlinie entfernt in Westsibirien fördern Russen und Deutsche gemeinsam den wertvollen Brennstoff. Russland ist Deutschlands größter Energielieferant: Knapp ein Drittel von Erdöl und Erdgas (31 Prozent) kam 2014 aus dem Osten. Gut 22 Milliarden Euro kosteten die Importe.
Die Energie-Zusammenarbeit ist das Herzstück der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Sie läuft weitgehend unabhängig von der Politik. Im Gegenteil: Trotz der Sanktionen gegen Russland wegen des Vorgehens im Ukraine-Konflikt haben mehrere Mega-Deals im Jahr 2015 die Verflechtung verstärkt.
Es ist ein Geschäft mit wenigen großen Beteiligten, die einander lange kennen. Seit 1970 ist Erdgas erst aus der Sowjetunion, dann aus Russland nach Deutschland geflossen. Der deutsche Chemieriese BASF mit seiner Tochter Wintershall und der russische Staatskonzern Gazprom feiern am Montag (12. Oktober) in St. Petersburg 25 Jahre Zusammenarbeit.
Gemeinsam mit Gazprom fördert Wintershall Erdgas bei Nowy Urengoj - Achimgaz heißt das paritätische Gemeinschaftsunternehmen. Auch am nahen Gasfeld Yuzhno Russkoe ist Wintershall beteiligt. Dort hält außerdem die deutsche Eon einen Anteil. Gazprom, BASF und Eon sind auch Partner bei der Ostseepipeline Nord Stream von Wyborg in Russland nach Mecklenburg-Vorpommern. Jährlich kann sie bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Westeuropa leiten.
Anfang September vereinbarten diese Partner den Bau einer zweiten Leitung durch die Ostsee. Auch Shell (Niederlande), OMV (Österreich) und ENGIE (bislang GDF Suez, Frankreich) werden sich beteiligen. Die Kapazität beim Gastransport würde sich verdoppeln.
Anfang Oktober vollzogen BASF und Gazprom einen gigantischen Aktientausch, durch den die Deutschen weitere Anteile an den Gasfeldern in Westsibirien erhalten. Dafür bekamen die Russen das Gasspeicher- und Handelsgeschäft von Wintershall. Ein Viertel der deutschen Speicherkapazität ist damit in russischer Hand. Gazprom-Chef Alexej Miller kommt seinem Traum einer Lieferkette von der Förderung bis zum deutschen Endkunden ein Stück näher. Wegen der Ukraine-Krise war das politisch brisante Geschäft 2014 zunächst auf Eis gelegt worden.
Neu in das deutsch-russische Energiegeschäft drängt der schwerreiche russische Oligarch Michail Fridman. Im Frühjahr übernahm er für gut fünf Milliarden Euro die RWE-Tochter DEA - und damit ein Fünftel der deutschen Öl- und Gasförderung. Nun verhandelt Fridmans Firma LetterOne nach Presseberichten mit Eon, um deren Öl- und Gasfelder in der norwegischen Nordsee zu übernehmen.
Russland betont immer wieder, dass es all die Jahre lang seine Lieferverträge mit Westeuropa zuverlässig eingehalten hat. Wegen des Zerwürfnisses mit dem Westen hat Präsident Wladimir Putin zwar eine wirtschaftliche Kehrtwende Richtung China angekündigt. Doch die lässt sich nur langsam an. Das Geschäft mit Deutschland und der EU ist einfacher. Russland würde auch gern die Ukraine als Transitland ersetzen. Das ist im Norden über die Ostsee einfacher als über das Schwarze Meer im Süden. Die Pläne für die Pipeline Turkish Stream in die Türkei hat Miller dieser Tage nach unten korrigiert.
Die EU-Sanktionen bremsen das Energiegeschäft also nicht. Als lästig empfinden die Konzerne die Beschränkungen aber schon - Finanzierungen werden teurer, der Zugang zu westlicher Spezialtechnik, um schwierige Lagerstätten zu erschließen, ist versperrt. Deshalb hat sich die BASF zum Jubiläum mit Gazprom mit einer Umfrage bewaffnet: Angeblich halten 62 Prozent die Sanktionen nicht mehr für hilfreich.
Text: dpa/pvg