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Westeuropa: Erstmals mehr Gas aus Norwegen als aus Russland

Foto Gas aus NorwegenDas ging schneller als gedacht: Mit seinem Plan, unabhängiger von russischem Gas zu werden, kommt Europa gut voran. Nach jüngsten Medienberichten hat Norwegen Russland als größten Gaslieferanten der westlichen EU-Staaten abgelöst. Die Entwicklung stößt bei Experten allerdings auf Kritik.

Neue Daten des norwegischen Gasunternehmens Gassco und des russischen Gaskonzerns Gazprom zeigen, dass sich der Energiemarkt der EU derzeit im Umschwung befindet. Nicht mehr Russland, sondern Norwegen ist der größte Gaslieferant Westeuropas. Das nordeuropäische Land exportierte im letzten Quartal 2014 und im ersten Quartal 2015 jeweils etwa 29 Milliarden Kubikmeter Gas in westeuropäische Länder, Russland je 20 Milliarden. Zwar blieb Russland im vergangenen Jahr nach wie vor der größte Gaslieferant der gesamten EU (einschließlich der osteuropäischen Länder), doch der Importanteil des russischen Gases sank von 43 auf 42 Prozent und das Importvolumen reduzierte sich um mehr als zehn Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Importanteil Norwegens in der EU von 34 auf 38 Prozent.

Steigen bald die Gaspreise?

Nahezu gleichzeitig mit den neuen Importzahlen warnen Energieexperten, eine Gas-Unabhängigkeit von Russland würde teuer werden. Beim „Energie-Talk“ der Energie Allianz Austria (EAA) Anfang Mai erklärten Vertreter aus Forschung und Industrie, dass eine Abkehr vom russischen Gas auch Nachteile mit sich brächte. Energieexpertin Kirsten Westphal von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) warnte davor, dass der Verzicht auf das billige russische Gas in der EU zu steigenden Kosten führen könnte. Wirtschaftsforscher Johannes Pollak vom IHS in Wien vertrat ebenfalls die Meinung, dass es ökonomisch keinen Sinn mache, auf russisches Gas zu verzichten. Für Verbraucher birgt der derzeitige Umbruch auf dem europäischen Gasmarkt demnach die Gefahr, dass sie bald höhere Preise für Gas zahlen müssen.

Hintergrund: abgekühlte Beziehungen zu Russland

Trotz des Risikos steigender Gaspreise wollen sich die EU-Staaten unabhängiger von russischen Gaslieferungen machen. Der Hauptgrund dafür sind die deutlich abgekühlten Beziehungen zu Russland im Zuge der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim-Halbinsel. Zudem führte der Streit um Gaspreise zwischen Moskau und Kiew in den vergangenen Monaten immer wieder dazu, dass in Europa Lieferengpässe bei russischem Gas befürchtet wurden. Als Reaktion auf das angespannte Verhältnis bemüht sich die EU derzeit um alternative Gasquellen. Dazu gehören unter anderem der verstärkte Import von Flüssiggas sowie der Bezug von Gas aus autokratischen Staaten wie Aserbaidschan und Turkmenistan.