05.12.2025

Die Europäische Union zieht einen Schlussstrich unter ihre jahrzehntelange Energieabhängigkeit von Russland. Vertreter der EU-Mitgliedstaaten und des Europaparlaments haben sich auf einen vollständigen Verzicht auf russisches Erdgas bis Ende 2027 geeinigt. Die Entscheidung ist eine direkte Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg und soll die EU vor künftiger Erpressbarkeit schützen.
Für Verbraucher bedeutet dies: Die Gasversorgung bleibt nach Einschätzung der EU-Kommission gesichert, und die Preise dürften stabil bleiben. Auf dem Weltmarkt stehen ausreichend alternative Lieferanten bereit. Die neue Regelung schafft zudem langfristige Rechtssicherheit, da sie – anders als die bisherigen Sanktionen – dauerhaft gilt.
Die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wurde für Europa spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs zum strategischen Risiko. Als Konsequenz hat sich die EU nun auf klare und rechtlich verbindliche Ausstiegsdaten verständigt. Pipeline-Gas aus langfristigen Verträgen wird spätestens zum 1. November 2027 gestoppt. Länder ohne Zugang zu Seehäfen dürfen kurzfristige Lieferverträge noch zwei Monate länger nutzen.
Für russisches LNG gilt ein früheres Datum: Ab Januar 2027 ist der Import vollständig verboten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „historischen Tag“ und dem „Beginn einer neuen Ära der Energieunabhängigkeit“. Auch Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur, betonte, Europa ziehe damit einen Schlussstrich unter eine über 50 Jahre alte Abhängigkeit.
Trotz des Krieges erhält Russland weiterhin beträchtliche Einnahmen durch Energieexporte in die EU.
Allein im ersten Halbjahr 2025 kaufte die EU russisches LNG im Wert von fast 4,5 Milliarden Euro. 2024 lagen die Gasimporte aus Russland bei insgesamt 15,6 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Aus den USA kam Gas im Wert von 19,1 Milliarden Euro – sie waren damit der wichtigste Einzel-Lieferant.
Besonders deutlich wird der Wandel in Deutschland. Daten der Bundesnetzagentur zeigen einen drastischen Rückgang russischer Lieferungen: Anfang 2022 flossen täglich bis zu 8.000 GWh aus Russland, ab Mitte des Jahres brachen die Mengen ein und sanken Ende 2022 nahezu auf Null.
Die Lücke wurde durch Norwegen und stark ausgebaute LNG-Importe geschlossen. Während die Gesamtimporte Anfang 2022 noch Rekordwerte von 10.000 bis 11.000 GWh täglich erreichten, fielen sie im Oktober 2023 auf rund 1.500 GWh – dem Höhepunkt der Energiekrise. Inzwischen haben sie sich auf ein stabiles Niveau von 5.000 bis 6.500 GWh täglich eingependelt (Stand Juli 2025).
Einige Staaten können nicht im gleichen Tempo aussteigen. Ungarn und die Slowakei, die weiterhin russisches Pipeline-Öl und große Mengen Gas beziehen, erhalten daher längere Übergangsfristen. Für russische Öllieferungen wird die EU-Kommission 2026 einen detaillierten Ausstiegsplan vorlegen, der ebenfalls bis spätestens 2027 greifen soll.
Mit der neuen Regelung verabschiedet sich die EU von den bisherigen, alle sechs Monate zu erneuernden Sanktionsmechanismen. Die rechtlichen Änderungen gelten unbefristet und machen die Energiepolitik planbarer. Eine Notfallklausel erlaubt es der Kommission jedoch, das Einfuhrverbot temporär auszusetzen, wenn ein Mitgliedstaat einen akuten Versorgungsnotstand ausruft.
Der Kreml kritisierte den EU-Beschluss. Sprecher Dimitri Peskow warf Europa vor, sich selbst zu schaden und sich von teurer Energie abhängig zu machen. In Brüssel überwiegt dagegen die Zustimmung. Die CDU-Europaabgeordnete Andrea Wechsler lobte die neuen Herkunftskontrollen, die Umgehungsversuche wie indirekte Lieferwege verhindern sollen. Das Importverbot basiert auf europäischem Handels- und Energierecht.
Die wichtigste Botschaft: Die Gasversorgung bleibt sicher. Dank neuer Lieferanten – insbesondere LNG aus den USA sowie höheren Mengen aus Norwegen – sieht die EU-Kommission keine Gefahr für Engpässe. Auch größere Preissprünge werden nicht erwartet. Die EU hat die schwerste Energiekrise seit Jahrzehnten überwunden und ist heute deutlich breiter aufgestellt als zu Beginn des Ukraine-Krieges.
Mit dem vollständigen Ausstieg aus russischem Gas bis Ende 2027 sendet die EU ein starkes politisches Signal und macht sich langfristig unabhängiger von einem unzuverlässigen Lieferanten. Die Versorgungssicherheit bleibt gewährleistet, eine starke Preissteigerung für Verbraucher ist nicht absehbar. Die Einigung muss noch formal vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten bestätigt werden.

Silvia Lehrack
Als Expertin für Energievergleiche beleuchtet Silvia aktuelle Trends rund um Strom, Gas und Energiekosten – praxisnah, verständlich und immer am Puls der Zeit.